Democratic Education at Cal

Decal Blog

Heute habe ich mich mit Danielle Zhou und Desiree Diaz getroffen, den Co-Präsidentinnen der studentischen Organisation Democratic Education an der UC Berkeley, kurz DeCal genannt. Dabei handelt es sich nicht etwa um einen Studiengang in Politischer Bildung, sondern um Semesterkurse von Studierenden für Studierende.

Umfassendes Kurs-Programm von Studierenden für Studierende
Das DeCal-Programm ist ein umfassendes universitäres Angebot an Semesterkursen zu den unterschiedlichsten Themen, die von den Studierenden selbst entwickelt und angeboten werden, ein Uni-gestütztes Peer-to-Peer-Programm sozusagen. Viele dieser Kurse werden im regulären Curriculum der Uni nicht angeboten. Die Kurseinheiten umfassen 3 bis 6 Stunden pro Woche.

Gegründet 1965
Seit 1965 existiert DeCal, über Jahrzehnt mit einem Taucher in den siebziger Jahren, und der Neuausrichtung in den achziger Jahren. Beachtliche 52 Jahre sind es nun her, dass Berkeley die diese demokratische Tradition aufrecht erhält. Heute werden jedes Semester über 150 Kurse angeboten in Themen von Filmanalyse über Philosophie, Taiwanesisch bis Tanzunterricht. Etwa 3000 bis 4000 Studierende schreiben sich pro Semester in die Kurse ein. Die Kurse sind ein exzellentes Mittel, eigene Themen auszuarbeiten oder sich intensiv in ein Thema zu vertiefen.

Im regulären Programm
Für die Durchführung eines Kurses müssen sich interessierte Studierende bewerben und ein vorgegebenes Verfahren einhalten. Ebenso gilt es, die UC Policy zu respektieren. Nachdem die Studierenden ihren Syllabus entworfen und zusammen mit ihren Betreuern alle nötigen Schritte eingeleitet haben, wird der Kurs durch den Akademischen Senat bewilligt. Die Fakultäts-Mitglieder, Professorinnen und Professoren, bürgen dann mit ihrem Namen offiziell für den Kurs, die Studierenden sind delegiert, den Kurs zu führen. So übernehmen die Fakultäts-Mitglieder eine Art Mentoring für die studentischen Lehrbeauftragten. Dieser entwirft zudem das Bewertungsraster das ebenfalls von der betreuenden Person verabschiedet wird. Dabei handelt es sich nicht um eine reguläre Benotung, sondern um eine erfüllt/nicht erfüllt-Bewertung. Bei Erfüllung erhalten die Teilnehmenden zwischen 0.5 bis 2 akademische Kreditpunkte, bei in „normalen“ Kursen üblichen 3 bis 4 Punkten.
Die Studierenden entwerfen die Lernziele und die Inhalte (Syllabus) nach bestimmten Richtlinien und legen diese einem Komitee vor, das die Qualität des Kurses prüft und freigibt. Die Kurse müssen zum Beispiel Inhalte zum Lesen und Aufgaben beinhalten, welche die Teilnehmenden lösen müssen. In den Kursen von unterschiedlicher Größe treffen nun Studierende als Lehrende und ihre Kommiliton/innen zusammen, um das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln anzugehen.  Das DeCal-Programm ist zweifellos ein einzigartiges  Angebot des Berkeley Undergraduate Programms, und alle Studierenden werden ermutigt, an den Kursen teilzunehmen. Die Verantwortung für die Kurse liegt bei den Departementen, den Fakultätsmitgliedern und den studentischen Lehrenden, die sich verpflichten, die Kriterien für Universitäts-Lehrveranstaltungen einzuhalten.

Ursprünge im Free Speech Movement
DeCal hat eine lange Geschichte. Die Initiative ging 1965 von Philosophie-Professor Joseph Tussman aus, der vom Free Speech Movement inspiriert war. Studierende und Lehrende trafen sich in einer freien, doch akademischen Umgebung, um Fragen aller Art in Lektüreveranstaltungen und Debatten zu diskutieren. DeCal besteht also schon seit mehr als fünfzig Jahren und ist immer noch so erfolgreich! Erstaunlich ist es, dass es heute noch sehr innovativ ist.

Lernen durch Lehren
Vom Konzept her geht dieser Unterricht stark in die Richtung der 1985 von Jean Pol Martin gegründeten Lehr-Methodik »Lernen durch Lehren«. Die Studierenden müssen den Kursanforderungen der Universität voll und ganz genügen. Kurse, die die Standards nicht erreichen werden nicht zugelassen. Den studentischen Lehrenden wird ein Fakultäts-Mitglied zur Seite gestellt, ein so genannter Sponsor, der die Kursentwicklung betreut und fördert.
Auf der alten DeCal-Website erfährt man von vielen Kursen und Projekten, die stattgefunden haben. Auf der neuen Website ist leider keine Hintergrundinformation mehr vorhanden. Die neue Site beinhaltet nur das Allerwichtigste: das aktuelle Kursprogramm.

Skeptische Reaktionen
In meinem Interview fragte ich Danielle und Desiree, ob schon Kurse abgesetzt wurden, oder ob sie auch Skeptizismus erführen. Desiree erwähnte einen Kurs zur Palästina-Frage, der aus politischen Gründen vom Departements-Leiter abgesagt wurde, weil die Presse das Thema aufgriff und die Universität wegen der Aufnahme eines kontroversen Themas offen angriff. Auch erleben die beiden Direktorinnen immer wieder mal offene Skepsis gegenüber den »unqualifizierten« Lehrenden, welches die Studierenden wären. Der Tenor laute da oft, dass gute Lehre nur von bewährten Professoren und Professorinnen ausgehen könne. Der Erfolg des Programms zeige hingegen eine andere Realität.

Das beste Cal-Programm überhaupt
Viele Studierende seien der Meinung, dass dies die besten Kurse an der Universität seien, sagt Diaz, da sie sich hier freier fühlten, ihre Meinung zu äussern oder Fragen zu stellen. Die Studierenden, die sich auf diese enorme Arbeit einlassen, tun es mit Verve und Enthusiasmus, letztlich für wenige Kreditpunkte. Man muss motiviert sein, um sich neben dem eigenen Studium der immensen Arbeit einer rund zwanzigwöchigen Lehrveranstaltung mit drei bis sechs Stunden zu widmen. Man kann nur ahnen, was die Studierenden aus dieser reichen Erfahrung neben dem eigentlichen Inhalt, den sie als Lehrende ja verstehen müssen, um ihn lehren zu können. Es bleibt zu hoffen, dass das seit mehr als einem halben Jahrhundert in Berkeley praktizierte Ideal der selbstmotivierten Lehre weitere Orte in der Welt findet, um echte Netzwerke und Lerngemeinschaften zu ermöglichen.

Links

Studentische Lehrveranstaltungen an anderen Universitäten in den USA
Blog DeCal (Bildquelle, nicht aktiv)

#decal #ucberkeley